Famulaturbericht Tahnee und Isabel

Schon ab dem ersten Semester, nachdem wir den Famulaturabend der Fachschaft Zahnmedizin in Münster besucht hatten, war uns beiden klar, dass wir im Laufe unseres Studiums sehr gerne für eine Famulatur ins Ausland reisen würden. Erstmals mit Jino e.V. in Kontakt getreten sind wir im Sommer 2020. Vorerst war unsere Kommunikation auf einige Online-Meetings aufgrund der Covid-19 Pandemie beschränkt. Dies war auch der Grund dafür, dass eine Famulatur im Jahr 2021 nicht umzusetzen war. Im Oktober 2021 trafen wir uns zum Herbsttreffen in Freckenhorst das erste Mal persönlich mit Jino. Von dort an konkretisierten wir unsere Pläne und starteten mit den Vorbereitungen. Nach gründlichen Überlegungen im Hinblick auf unsere Examensvorbereitung, empfanden wir es schlussendlich für sinnvoller, unsere Famulatur nach unser Examensende im November 2022 zu verlegen. Es war ein langer Prozess, aber umso glücklicher waren wir als wir im Dezember 2022 endlich unsere Flüge nach Tansania buchten.
Touchdown in Dar es Salaam! Nach vielen Monaten der Vorbereitung und mehrmaligem Verschieben, konnten wir dieses Jahr Ende April endlich ausreisen. Nach rund 20 Stunden Anreise landeten wir an einem Samstagmorgen sicher in Dar es Salaam, der größten Stadt Tansanias. Auch unsere vier Gepäckstücke waren wohlbehalten angekommen und draußen erwartete uns schon Sister Hifadhi mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. Dann ging es aus dem kühlen Flughafen raus in die Hitze der Küstenstadt und eine wilde Taxifahrt später waren wir auf dem Grundstück der Benediktiner Schwestern in Kitunda angekommen, wo unser Abendteuer „Famulatur in Tansania“ beginnen sollte. Untergebracht waren wir hier im Jino House, wo wir uns zu zweit ein kleines Zimmer mit Bad teilten. Die wichtigste Ausstattung, wie wir die ersten Tage lernen sollten, waren tatsächlich die Mosquitonetze. Das erste Wochenende nutzten wir zur Eingewöhnung und besuchten hierzu am Sonntag mit den Sisters die Messe in der riesigen Kirche auf der anderen Straßenseite. Am Montagmorgen hieß es dann Handschuhe und Masken an, und „twende zetu“ (Los geht’s).


Das St. Benedict Health Center schließt direkt an das Grundstück der Schwestern an. Die Zahnstation besteht aus zwei lichtdurchfluteten Zimmern, die mit je einem Behandlungsstuhl ausgestattet sind. Im ersten Raum befindet sich der fast antike manuell verstellbare Behandlungsstuhl. Da Sr. Hifadhi dort auch ihr kleines Zahnlabor hat, findet hier meist nur die Fertigstellung und Anprobe der Prothesen statt. Wir behandelten hauptsächlich mit Dr. Joseph, der seit Anfang des Jahres Sr. Hifadhi unterstützt hatte, im anderen Zimmer.


Und dann saß schon die erste Patientin auf dem Stuhl und Dr. Joseph übergab uns das Zepter. Wir, die sichtlich überfordert waren, sowohl mit der Sprache als auch mit dem, was wir nach der Befunderhebung tun sollten, warfen nur fragende Blicke in die Richtung von Dr. Joseph. Wir einigten uns mit der Patientin darauf, heute nur den schmerzenden Zahn 35 zu extrahieren und wieder wurde uns eine passende Zange in die Hand gedrückt und erwartet, dass wir loslegen würden. Wir erklärten, dass wir beide erst wenige parodontal vorgeschädigte Zähne gezogen hatten und noch ein stück weit Anleitung benötigen würden. Dr. Joseph half uns von nun an bei jeder neuen Extraktion ein bisschen weniger und innerhalb von zwei Tagen, hatten wir den Dreh raus, sodass er schon behauptete, wir bräuchten ihn ab jetzt nicht mehr. Nachdem die ersten Nerven verflogen waren und sich die nötigen Vokabeln und Sätze auf Swahili festigten, machte das Behandeln richtig Spaß. Auch wenn wir schnell feststellten, dass die Menschen den Zahnarzt eigentlich nur mit akuten Schmerzen aufsuchten und daher oft große Angst hatten, wurde doch immer einfühlsam auf die Patient*innen eingeredet, bevor die Behandlung begann. Einzig die Kinderbehandlungen waren für uns anfangs schwer mit anzusehen, wenn der ganze Raum mit Geschrei und Krokodilstränen erfüllt war. Pro Tag waren im Schnitt etwa zehn Patient*innen zur Behandlung da. Da teilweise schon mittags nicht mehr die richtige Extraktionszange zur Verfügung stand, fuhren wir an einem Nachmittag mit Sr. Hifadhi zu einem Dentaldepot in Dar es Salaam und kauften zudem noch Prothesenzähne und Komposit ein. Zum Ende unserer Zeit in Kitunda nahm uns Sr. Hifadhi mit zu einem ihrer Herzensprojekte. Auf einem großen Grundstück nicht weit entfernt hatte sie angefangen eine Kita zu errichten. Die Grundmauern standen bereits und im nächsten Schritt sollten die Dächer gedeckt und eine Mauer, zur Sicherheit der Kinder um das Grundstück gezogen werden. Da ihr zum Weiterbau die finanziellen Mittel fehlten, kam uns die Idee ein kleines Fundraising zu starten, was wir einige Tage später in die Tat umsetzten.
Die erste Woche in Kitunda war für uns ein guter Einstieg, um uns an die Behandlungen und das Leben in Tansania heranzutasten. Wir wurden wundervoll aufgenommen und hatten auch neben der Arbeit eine Menge Spaß mit den Schwestern und den Kindern, die auf dem Grundstück herum sprangen.

Auf dem nächsten Abschnitt unserer Reise ging es zunächst mit Miraji, einem befreundeten Taxifahrer von Jino, gen Mikumi National Park, wo wir eine unbeschreibliche Zeit auf der Safari erlebten. Wir sahen eine Menge freilebender Wildtiere. Zu diesen zählten Affen, Giraffen, Zebras, Antilopen, Nilpferde, Elefanten, Löwen und sogar ein Leopard, der es sich in einem Baum ein paar Meter neben uns gemütlich gemacht hatte.Von dort aus ging es am nächsten Tag mit dem Bus in die Stadt Njombe, die auf ca. 2000 Höhenmeter liegt, was die Temperaturen im Vergleich zur Küste um etwa 15 Grad fallen ließ. In Njombe angekommen, holte uns Sr. Calmelitha vom Busterminal ab und brachte uns zum Hotel, was ca. 200 m von der Zahnstation entfernt lag. 

Die Zahnstation besteht aus vier kleinen Räumen. Ein Raum ist Sr. Calmelithas Dentallabor, einer ist ein Durchgangszimmer mit einem Stuhl für Anproben, danach kommt das Behandlungszimmer mit zwei Behandlungsstühlen, zwischen denen eine Trennwand steht und zu guter Letzt gibt es noch ein Wartezimmer. Dieses ist bei dem hohen Patient*innenaufkommen hier in Njombe auch erforderlich. Schon am ersten Tag kamen mehr als 20 Menschen in die Zahnstation und wir zogen mit Sr. Calmelitha und Dr. Richard an einem Tag ganze 27 Zähne. Wir merkten schnell, dass hier der Hase anders läuft. Mit mindestens der gleichen Sorgfalt wurde wesentlich zeiteffizienter gearbeitet. Auch ein paar Füllungen durften wir legen. Dies wurde zwar durch die vorübergehenden Stromausfälle ab und an unterbrochen, aber ansonsten waren alle Materialien vorhanden, die man zum Füllungen legen benötigt. Am Sonntag unternahmen wir mit Sr. Calmelitha einen Ausflug nach Imiliwaha, wo wir die Messe besuchten, Mother Superior kennenlernten und mit den Kindern eines Waisenhauses spielten.
Die nächste Station auf unserer Reise war Peramiho, wo die Zahnstation in einen Krankenhauskomplex eingebunden ist. Um dorthin zu gelangen, hatten wir zunächst wieder eine lange Busreise vor uns, auf welche uns Sr. Calmelitha begleitete. In Peramiho angekommen wurden wir von Sr. Immaculata mit Blumensträußen begrüßt. Sie zeigte uns das kleine Dorf und gab uns eine Führung durch das Krankenhaus, welches für tansanische Verhältnisse eine beachtliche Größe hat und Patient*innen aus der Region und aus weiterer Entfernung anzieht. Im Guesthouse, in dem wir wohnten, konnten wir die Küche mitbenutzen und so zeigte uns Sr. Immaculata direkt im Anschluss den Markt, den wir die nächsten zwei Wochen fast jeden zweiten Tag besuchten. Die Zahnstation hat fünf Behandlungszimmer und einen Röntgenraum, wo OPGs und Zahnfilme gemacht werden können. Hier arbeitet ein studierter Zahnarzt und zwei Dental Assistants, die auch behandeln. Das Zahnlabor, in dem Sr. Immaculata arbeitet, ist im gleichen Gebäude. Dort absolvierten, in der Zeit unseres Besuchs, auch drei Auszubildende aus Dar es Salaam ihr Pflichtpraktikum. Mit den Dreien trafen wir uns öfter, kochten zusammen und veranstalteten Spieleabende. Die Arbeit in der Klinik bestand für uns zum ersten Mal nicht mehr hauptsächlich aus dem Extrahieren von Zähnen. Stattdessen legten wir vor allem Füllungen oder versuchten uns an Wurzelkanalbehandlungen, wobei wir uns immer gegenseitig assistierten. Als in der zweiten Woche noch 5 Praktikant*innen das Team verstärkten, übernahmen diese fast alle Zahnextraktionen, sodass wir meist die aufwendigeren Füllungen zugeteilt bekamen.

Vor dem zweiten Wochenende in Peramiho kamen die beiden anderen Famulanten Robert und Marc an, mit denen wir die nächsten vier Tage zum Mbamba Bay am Lake Njassa reisten, um uns auszutauschen und das schöne Wetter zu genießen. 
Nach unserer Wiederkehr nach Peramiho arbeiteten wir noch einen Tag gemeinsam mit Marc und Robert. Da die Zahnstation maßlos überbesetzt war, durften wir sogar bei einem Kaiserschnitt zugucken und Zeuginnen werden, wie ein neues Leben das Licht der Welt erblickt. Am nächsten Tag ging es auf gleicher Route zurück Richtung Küste. Wir besuchten Sr. Calmelitha in Njombe und fuhren zwei Tage später weiter nach Kitunda zu Sr. Hifadhi. Dort konnten wir sie endlich mit den gesammelten Spenden überraschen. Sie war sichtlich gerührt und überglücklich endlich an ihrer Kita weiterbauen zu können.

Das letzte Ziel unserer Reise war Moshi, welches wir wieder mit dem Bus erreichten. In Moshi kamen wir bei Allen und seiner Frau, die zusammen ca. 20 Pflegekinder haben, unter. Die letzten zwei Wochen in Tansania nutzten wir für touristische Aktivitäten. Eine davon war es, den Kilimanjaro, bekannt als „das Dach Afrikas“ und der höchste freistehende Berg der Welt, zu besteigen. Ganze acht Tage verbrachten wir auf dem Berg. Als wir am siebten Tag morgens oben auf dem Gipfel knapp unter 6000 Metern über NN standen, bot uns der atemberaubende Anblick, wie die Sonne unter der Wolkendecke auftauchte und der eisige Boden mit den ersten Sonnenstrahlen anfing zu glitzern. Das war definitiv ein einmaliger Moment, den wir beide so schnell nicht vergessen werden. 

Wir haben das Land Tansania und alles, was es ausmacht; die Leute, die Kultur, die Tiere und so vieles mehr, tief in unser Herz geschlossen. Wir wurden überall mit offenen Armen empfangen und herzlich aufgenommen, sodass uns am Ende nur noch eine Sache zu sagen übrigbleibt: ASANTE SANA TANZANIA! (Vielen Dank Tansania!) 

Baadaye (Bis bald)

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