Einführung:
Die Köpfe noch voller bunter Erinnerungen an Tansania weht uns zurück in der Heimat der
kühle Herbstwind um die Ohren. Die Flipflops sind gegen Wollsocken, der Kanga gegen eine
Fließjacke und „mkate und mayai“ (Toastbrot und Ei) zum Frühstück gegen Haferflocken
getauscht… wir sind tatsächlich schon wieder zurück. In unserer Wolke aus Erinnerungen
können wir die Zeit noch einmal Revue passieren lassen.
Ein zahnmedizinisches Praktikum in der Ferne war uns schon lange ein Wunsch. Im
klinischen Studienabschnitt angekommen und auf der Suche nach dem passenden Ziel,
hörten wir letztes Jahr im Mai zum ersten Mal von JINO e.V.. David und Dorothee, die JINOFamulanten von 2012, berichteten an unserer Uni begeistert von ihrer spannenden Famulatur und Reise in Tansania. Beim Herbsttreffen zum Thema „Afrika entdecken!“ lernten wir im Oktober den Verein mit seiner Geschichte und Struktur, seine Mitglieder und die
Projekte kennen und schätzen. Es blieb Zeit, in Ruhe über die Reise zu entscheiden. Bald
waren unser Entschluss gefasst und der Flug gebucht. Auf unserem langen
Vorbereitungsweg waren wir vor allem dank Johannes, Magdalene und Martin bei der
Routenplanung, mit all unseren Fragen und Unsicherheiten stets gut begleitet. Unsere ersten
Emails gingen nach Tansania und mehr oder weniger schnell hatten wir mehr als nur ein
herzliches „Karibu“ (Willkommen) in unserem Posteingang. Bald sollte die Reise schon
losgehen. Erdenklich behütet und gut organisiert, sowohl auf deutscher als auch auf
tansanischer Seite, und doch so spannend und aufregend.
Kitunda:
Am 10.8.14 landeten wir mit unseren vielen Taschen voller Zahnbürsten und Zahnpasta
gerade einmal 0,5kg unter erlaubtem Maximalgewicht am Flughafen in Dar-Es-Salaam.
Herzlich begrüßt wurden wir von Schwester Hifadhi und unseren beiden Kommilitoninnen
Britta und Luisa, die uns bereits eine Woche zuvor vorausgereist waren. Im südlich
gelegenen Stadtteil Kitunda durften wir uns im frisch erbauten „JINO-House“ gleich ganz wie
zuhause fühlen - ein kleines Gästehaus für „JINO“s gleich neben dem Schwesternhaus, was
zurzeit noch im Bau ist. Um das JINO-House einzuweihen und uns willkommen zu heißen,
luden die Schwestern am zweiten Abend viele Leute ein. Bei afrikanischer Pop-Musik, nach
gutem Essen und vielen offiziellen Reden durften wir vier das bunte Band vor der Haustür
feierlich durchschneiden. Obwohl wir so viele der Gäste gar nicht kannten, hatten wir einen
tollen Abend zusammen. Unter Kokospalmen und auf weißem Sand findet sich direkt
nebenan integriert im Krankenhaus die kleine Zahnstation. Ein Vorzimmer mit einem
Schreibtisch, an dem Sr. Hifadhi Zahnersatz herstellt (in aller Regel DKPs) und an dem
Rose, die Hilfskraft, die Patienten im Buch einträgt, Rezepte und Quittungen ausstellt und bei
der Extraktionen den Kopf stützt. Wir lernten unsere ersten Wörter Kisuaheli für die
Behandlung und konnten schon bald herausfinden, welcher Zahn den Patienten von nah
oder fern in die Zahnstation führte. Beratung und Aufklärung übernahmen Sr. Hifadhi und Sr.
Lidya, die zur Unterstützung extra aus Songea angereist war. Nach etwas
Eingewöhnungszeit hatten wir den besonderen Umgang mit den Pateinten – aufrichtig geduldig, verständnisvoll und gleichzeitig sehr professionell - beobachtet und zu schätzen
gelernt, es wurden die ersten Spritzen gesetzt, Zähne gefüllt oder gezogen, Zahnstein
entfernt und Alveolen gesäubert. Die mittlerweile schon gar nicht mehr ganz neue und doch
unberührte Einheit wird noch immer nicht zum Präparieren, Saugen und Püstern benutzt, da
die passenden Winkelstücke fehlen. Die mobile Einheit, stößt aufgrund von Verschleiß an
ihre Grenzen, vor allem das grüne Winkelstück dreht sich nicht verlässlich. Zusätzlich
erschwerend wirken dabei an manchen Tagen auch die Stromschwankungen. Mit einer
JINO-Spende von 1000€ machten wir uns mit Sr. Hifadhi also deshalb an einem Nachmittag
auf den Weg zu Medeor, um den Zahlungsweg genehmigen zu lassen, und am nächsten
Nachmittag auf zu Anudha, dem Dentaldepot in der Innenstadt, um endlich die Winkelstücke
zu besorgen. Erst zurück in Kitunda bemerkten wir, dass uns die falschen ausgehändigt
worden waren und nicht auf die Anschlüsse passten, was wir doch etwas enttäuscht, Sr.
Hifadhi mit Fassung und gewohnter afrikanischer Gelassenheit trug. Wir hoffen sehr, dass
sie das Winkelstück nach etwas weiterem Organisationsaufwand nun erhält und die
angeschaffte Einheit endlich voll und ganz nutzen kann.
Mikumi:
Durch den Mikumi-Nationalpark, vorbei an Löwen, Antilopen und Elefanten, fuhren wir immer
weiter in den Süden, bis wir die zweite Station unserer Famulatur erreichten.
Peramiho:
Hier angekommen fühlte man sich schon aufgrund des Klimas, des Essens und dann auch in
der Zahnstation ein wenig wie zuhause in Deutschland: montags etwa 20 Patienten, vier
Behandlungseinheiten, ein großes zahntechnisches Labor, ein hoher Hygienestandard, eine
PE, Kronenpräparationen, Wurzelkanalbehandlungen und ein Röntgengerät, sowie knifflige
Fragen zu Differentialdiagnosen, Pulpitiden und mehr von den zwei Behandlern… Wir waren
ganz ins Behandlungsteam integriert und wuchsen an den Aufgaben und vielen
verschiedenen Behandlungssituationen. Interessant war es das St.Joseph’s Hospital
Peramiho, das weit über das Land bekannt ist, zu sehen und mitzuerleben: beispielsweise
den Angehörigen der Patienten in der Kochstation dabei zuzusehen, wie sie für ihre Lieben
das Essen vorbereiten. Aber auch von vielen anderen Freiwilligen vor Ort täglich
Geschichten aus den Stationen zu hören. Auch hatten wir gute Gespräche mit Sr. Goretti,
die vor 50 Jahren nach Peramiho kam und maßgeblich dabei geholfen hat, die Zahnstation
zu dem zu machen, was sie heute ist, aber auch andere Projekte anfasste und so eine
Menge erzählen kann. Wir kamen ab und an in den Genuss der afrikanischen Kochkünste
bei Dr. Chale und erkundeten zu Fuß die herrliche Umgebung rund um die Abtei.
Matogoro:
An einem Samstag trafen wir uns mit Sr. Lidya, um gemeinsam ihre Heimat, das
nahgelegene Matogoro, zu besuchen und den JINO-Kontakt zu pflegen. Wir verabredeten
uns für 5.00h „za asubuhi“ (morgens) in Songea, was kurz für Verwirrung sorgte. Bald war
klargestellt, dass das in Tansania 11.00h bedeutet. 6.00h AM ist bei ihnen also 0.00h. Wir
besuchten die Schwestern und waren zum Mittag eingeladen, besichtigten die Zahnstation,
in der Sr. Mfarigi sogar am Samstag arbeitet, wanderten durchs Dorf und zur Kirche.
Lake Malavi:
Schwester Hifadhi begleitete uns am darauffolgenden Wochendende zum Lake Malavi /
Nyasasee – ein besonders schönes Fleckchen Erde... Sie war extra in den Süden gereist,
um mit uns die Tage am See verbringen zu können. Sie besuchte auf diesem Weg zudem
Chipole, ihren Heimatkonvent, und ihre Familie im Süden. In Chipole musste die Zahnstation
derweil geschlossen werden, da die behandelnde Nonne vor einiger Zeit gestorben ist und
es bisher keine Nachfolgerin gibt. Ein großes Problem, das die Schwestern zu lösen
versuchen.
Imiliwaha:
Nebel, Apfelbäume, glühende Holzscheite im Ofen, Berge, warme Suppe, Fließjacken,
heißer Tee… das ist Imiliwaha. Mitten in den Bergen und zwischen den grünen Teefeldern
liegt es 45 Minuten von Njombe entfernt. 300 Schwestern leben hier im Konvent und ließen
uns an ihrem Alltag teilhaben. Schon ganz früh morgens fing unser Tag im gemeinsamen
Gottesdienst an. Schwerpunkt unserer Arbeit war hier das Prophylaxeprogramm. Hier
konnten wir nun das viele Material aus unserem Gepäck einsetzen, das wir aus Deutschland
mitgebracht hatten: Zahnbürsten, Zahnpasta, kleine Geschenke, Bastelkleber, Fotos,
Eddings… Mit tatkräftiger Unterstützung von Sr. Evodia, die hier in der Zahnstation arbeitet,
und Onesmo, einem Mönch aus … , der normalerweise dort als Zahnarzt arbeitet, aber in
Imiliwaha zu Besuch war, bereiteten wir 2 bunte Plakate mit dem Titel „Jinsi ya kupiga
mswaki“ (wie man eine Zahnbürste benutzt) und ein Spiel vor. An den folgenden Tagen
besuchten wir Schulklassen und versuchten, dort etwas Zahngesundheitsbewusstsein zu
wecken. Große dunkle Augen gucken uns an, als wir mit unseren großen Zahnmodellen und
den überdimensionalen Zahnbürsten in die erste Klasse kommen. Die 25 Kinder in ihren
grünen Schuluniformen lassen sich schnell begeistern und auf die Frage, ob die gezeigten
Lebensmittel auf den vorbereiteten Fotos wohl „nzuri au mbaya kwa meno“ (gut oder
schlecht für die Zähne) sind, schnellen fast alle Zeigefinger in die Luft. Eifrig putzen sie der
Reihe nach dem großen Modell die Zähne – innen und außen, oben und unten… zum
Abschluss gibt es für jeden eine Zahnbürste und dann Seifenblasen, lachende Gesichter und
eine Woge der Begeisterung. Auch die Kinder der fünften und sechsten Klasse der nächsten
Schule hören aufmerksam zu. Hier erklärt Sr. Evodia etwas ausführlicher, welche
Hartsubstanzschichten den Nerven im Zahn schützen, warum zucker- und säurehaltige
Speisen so schädlich für die Zähne sind und vor allem, dass wider Erwarten die Extraktion
nicht die einzige mögliche Behandlung bei Zahnschmerzen ist. Knapp reichen unsere
Zahnbürsten noch um jedes der 90 Kinder zu versorgen. Ein Zahnputz-Plakat hängen wir in
der Schule ans schwarze Brett, das andere an die azurblaue Tür der Zahnstation, vor der es
die wartenden Patienten hoffentlich in Zukunft einen Moment betrachten.
Reise:
Etwas schwer fiel uns der Abschied in jeder der Stationen. Schnell sind uns die Schwestern
ans Herz gewachsen und man fühlte sich tatsächlich überall sehr wohl, was nicht zuletzt an
ihrer Offenherzigkeit und Fröhlichkeit liegen mag, mit der sie uns ganz besonders
gastfreundlich und selbstverständlich bei sich aufgenommen haben. Dankbar sind wir ihnen
für die gemeinsame Zeit, die wir tief in uns aufgenommen haben und bestimmt nicht
vergessen werden. Land und Leute auf diese Weise „von innen“ kennenzulernen und die
Zahnmedizin vor Ort so nah mitzuerleben, war genau das, was wir uns gewünscht hatten
und als Erfahrung sehr schätzen.
Auf unserer abschließenden Reise quer über die Insel Sansibar, nach Moshi, wo wir einen
Blick auf den Kilimandscharo erhaschen konnten, und von Arusha bis hoch in die
Nationalparks des „northern circuits“ ließen wir uns verzaubern von endlosen, blau-weißen
Stränden und den wilden Tieren. So konnten wir nun - diesmal mit Gepäck weit unter dem
erlaubten Maximalgewicht – aber den Kopf gefüllt mit unseren vielen Erinnerungen nach
Hause zurückkehren und freuen uns darauf, beim nächsten Herbsttreffen in der JINO-Runde
unsere Erlebnisse zu teilen.