Seit Beginn des Studiums wollten wir gerne eine Famulatur im Ausland machen. Deshalb haben wir uns im Juni 2011 bei
dem kleinen Münsteraner Verein Jino e.V. beworben, auf den wir über eine Informationsveranstaltung in unserer Universität aufmerksam geworden sind. Nach einem ersten Kennenlernen beim jährlichen Herbsttreffen des Vereins und der daraufhin folgenden Zusage gab es von nun an regelmäßige Vorbereitungstreffen mit Dr. Johannes Pickers und anderen Mitgliedern des Vereins. Unsere ersten Bemühungen galten dem ZAD (Bewerbungsfrist 1.1.2012) sowie den Flügen, die wir im Dezember buchten. Im neuen Jahr nahmen wir E-Mail Kontakt mit den einzelnen Projektpartnern auf und begannen die Reiseroute zu planen. Außerdem haben wir uns um Impfungen, Malaria-Prophylaxe, Medikamente und HIV-PEP gekümmert.
Nach dem Verabschiedungstreffen am 15.7. starteten wir am 20.7. mit zwei anderen Freunden schwer bepackt mit
Hilfsgütern – dank eines netten Stewards weit über dem erlaubten Gepäcklimit - von Düsseldorf über Dubai nach Dar es Salaam. In Dar wurden wir von Sr Hifadhi und Sr Gertrud mit Blumen am Flughafen empfangen. Die erste Nacht blieben wir in Dar, begaben uns dann aber erst für zwei Wochen auf Urlaubsreisen.
Kitunda
Unser erster Famulaturort befand sich in Kitunda, einem Vorort von Dar, wo wir vom 6.-11.8. arbeiten durften. Die
zahnärztliche Station wird hier von Sr Hifadhi geleitet und ist Teil des durch den Benediktinerorden getragenen kleinen Krankenhauses. Hier stehen ein Behandlungsraum sowie ein Raum für den Empfang und das Labor zur Verfügung. Neben Sr Hifadhi, die hier die Patienten mit Extraktionen, Füllungen und Teilprothesen versorgt, arbeitet hier die ungelernte Helferin Rosa. Gearbeitet wird von Mo-Fr von 8-16h, wobei unterschiedlich viel Andrang herrscht. Da die Station erst vor 2 Jahren eingeweiht wurde, ist das Inventar noch neu und sehr gut. Leider wird um die Stuhleinheit zu schonen ein kleiner Hilfskompressor verwendet, so dass Saugen und Schleifen gleichzeitig nicht möglich ist. Dies hat uns ungeübten Studenten das Füllungen legen zunächst erschwert. Ebenso hält Sr Hifadhi es mit einem Heißluftsterilisator, den sie lieber verwendet als den modernen Dampfsteri. Auch sonst bemerkten wir eine aus der Uni nicht gekannte Sparsamkeit. Ob dies jedoch immer zum Vorteil ist, haben wir uns von Zeit zu Zeit gefragt. So mussten wir z. B. einen Alginatabdruck mehrmals nehmen, weil immer zu wenig Material im Löffel war. Vor Ort konnten wir Sr Hifadhi eine von Jino angeschaffte Technikermaschine übergeben, die jedoch erst einmal als Reserve für alle Jinostationen zurückgehalten wird, da die in Kitunda vorhandene Maschine in der Zwischenzeit durch einen Mitarbeiter der Tameq repariert worden war. Zusätzlich haben wir eine Poliereinheit eingerichtet, da zuvor eine Schuhputzmaschine mit einem aufgesteckten Korken zur Politur herhalten musste. Obwohl wir durch die weinige Übung im Studium bei den Extraktionen zu Anfang noch sehr unsicher waren, konnten wir unsere Fähigkeiten dank der Hilfe von Sr Hifadhi innerhalb der Woche in Kitunda deutlich verbessern. Parallel konnten wir auch einige Füllungen legen und ein bisschen Teilprothetik betreiben. Bemerkenswert fanden wir Sr Hifadhis ruhige Art und den guten Umgang mit den Patienten, vor allem mit den Kindern. Schmunzeln mussten wir über einen Trick, mit dem sie ängstliche Kinder über die Zange hinwegtäuscht, indem sie mit dieser zunächst nur Tupfer aufgreift und sie als Pinzette benutzt. So öffnen die Kinder beruhigt den Mund, bevor sie Böses ahnen. Anders als wir es aus Deutschland gewohnt sind, ist es hier gebräuchlich die Alveole nach einer Extraktion mit H2O2 zu desinfizieren sowie zu jeder Extraktion eine Antibiotikatherapie zu verordnen. Nach der Arbeit hat Sr Hifadhi Ausflüge mit uns in die Stadt unternommen oder wir wurden spontan von Leuten aus dem Viertel eingeladen. So verging die erste Woche wie im Flug.
Schließlich begleitete Sr Hifadhi uns noch bis nach Njombe, da sie die Gelegenheit nutzen wollte ihre Familie im Süden zu besuchen und mit uns später nach Mbamba Bay am Lake Nyasa zu fahren.
Njombe
In Njombe, einer kleinen Stadt in den Southern Highlands, machten wir vom 13-24.8. Halt. Am Busbahnhof wurden wir nach 12-stündiger anstrengender Fahrt herzlich von Sr Calmelitha empfangen. Erster Eindruck: kalt hier. Tatsächlich machte Njombe in diesen zwei Wochen vor allem nachts seinem Ruf als kälteste Stadt Tansanias alle Ehre. Sr Calmelitha ist hier die Leiterin der Zahnstation, die sich direkt an der Hauptstraße südlich in der Stadt befindet und zu einem Gebäudekomplex mit Innenhof gehört, der von ihr, einer weiteren Schwester, drei Haushaltsmädchen und zahlreichen Hühnern bewohnt wird. Zur Belegschaft gehören neben Sr Calmelitha noch Ibrahim, der sich nach einjähriger Ausbildung Dental Assistant nennen darf und vorwiegend Zähne extrahiert, und die Zahnarzthelferin Beatrice. Die Arbeitszeiten sind offiziell von 8-14 Uhr, wobei die tatsächliche Umsetzung eher afrikanisch, also flexibel ist. Täglich kommen etwa 25 bis 30 Patienten, die hauptsächlich Extraktionen, manchmal aber auch Füllungen und Teilprothesen wünschen. Ausschlaggebend ist dabei häufig, dass eine Füllung ca. 5€ kostet, eine Extraktion allerdings nur ca. 2€. In den zwei Wochen Famulatur haben wir auch einen Parodontitisfall und einen Fall von Bruxismus gesehen. Dafür bestehen in
Njombe aber leider keine Therapiemöglichkeiten. Generell lief das Extrahieren bei uns deutlich routinierter, wobei uns
tief zerstörte Zähne und Wurzelreste nach wie vor Schwierigkeiten bereiteten. In solchen Fällen konnte Ibrahim uns schnell, aber leider häufig auf brachiale Art weiterhelfen. Der Behandlungsablauf ist in Njombe folgendermaßen: Es werden mehrere Patienten parallel anästhesiert und wieder in den Warteraum geschickt um längere Verzögerungen zu
vermeiden. In Njombe haben wir auch viele Kinder behandelt, die wir mit dem Spielzeug, das wir in Deutschland als
Spende bekommen hatten, über das unangenehme Prozedere hinweg zu trösten versuchten. Auch haben wir einige Füllungen gemacht, was sich allerdings als schwierig herausstellte, da alle vier Behandlungsstühle defekt sind und das Licht nicht funktioniert, so dass wir neben schlechter Sicht nach der Behandlung oft Rückenschmerzen hatten. Trotzdem ist es ein schönes Gefühl wenigstens ein paar Zähne vor den Zangen retten zu können. Die Hygiene in Njombe ist leider
teilweise mangelhaft, der Sterilisator ist unzureichend und bis auf Sr Calmelitha trägt keiner der beiden Angestellten
irgendeine Form von Schutzausrüstung. Als Spenden aus Deutschland haben wir Zahnbürsten und Geschenke für die Kinder mitgebracht sowie für die Station Alginat, Zangen und Hebel und weitere Hilfsgüter. Insgesamt ist die Ausstattung an Extraktionsinstrumenten gut und ausreichend. Das Labor ist allerdings alt und es fehlt viel wie z.B. ein Drupo, was ein möglicher Grund sein könnte, dass man hier bei den prothetischen Arbeiten schon häufig mehr als ein Auge zudrücken
muss. An „kleineren“ Anschaffungen benötigt die Zahnstation Gipsbecher, Prothesenzähne (vor allem Frontzähne) und
ein grünes Winkelstück. Ein größeres Projekt wäre die Unterstützung des geplanten Baus einer neuen Zahnstation 10km südlich der Stadt auf einem großen Gelände, was von dem Benediktinerorden gekauft wurde. Die Kosten belaufen sich nach alten Plänen auf 100.000€, die allerdings von dem Projektbetreuer Damas Haule verändert wurden. Dieses Projekt ist durchaus unterstützenswert, denn das jetzige Gebäude ist alt, baufällig und besitzt zu tiefe Türen, woran wir uns das ein oder andere Mal heftig den Kopf gestoßen haben. In unserer Zeit in Njombe hatten wir kurze Arbeitstage und konnten so viele Ausflüge mit der Schwester unternehmen, die sich herzallerliebst um uns sorgte.
So haben wir ein 25jähriges Jubiläum von Ordensschwestern in Imiliwaha miterlebt, uns ein neu gebautes Krankenhaus in der Nähe von Makambako angesehen und auch eine abenteuerliche Fahrt in den Forest der Southern Highlands gemacht. Auch haben wir das Gelände besichtigt, wo die neue Zahnstation gebaut werden soll, und können wir nur feststellen: An der Größe des Geländes wird der Bau auf jeden Fall nicht scheitern: Es ist riesig.
Peramiho,
die letzte Station unserer Famulatur, ist ein kleiner Ort, der um eine Benediktinerabtei in den Bergen westlich von Songea
entstanden ist. Neben dem Kloster gibt es ein großes und angesehenes Krankenhaus mit einer für das Land vorbildlichen medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung und Ausstattung. Gemeinsam mit Sr Calmelitha kamen wir am 25.8. hier an und trafen auf Sr Hifadhi, die sich zeitgleich im nahe gelegenen Chipole aufhielt. In der Dental Clinic wurden wir von Dr. Shabany betreut. Weiterhin arbeiteten hier noch zwei Dental Assistants, eine Helferin, zwei Technikerinnen sowie von Zeit zu Zeit der Chefarzt Dr. Mushi und Sr Goretti, die die Station in den 80ern aufgebaut hatte. Unter deutlich besseren Bedingungen stürzten wir uns in die Arbeit und konnten feststellen, dass wir im Laufe der Wochen deutliche Fortschritte gemacht haben. Dr. Shabany stand uns mit seiner ansteckend fröhlichen Art zur Seite, wenn der Fall zu schwierig war. Neben zahlreichen Extraktionen haben wir einige Füllungen machen können. Dies hat unter den besseren Bedingungen viel mehr Spaß gemacht. Mit Hilfe von Spenden aus Deutschland konnten wir die verkratzten Spiegel
austauschen und einige sehr veraltete Instrumente ersetzen. Insgesamt ist die Ausstattung vor Ort so gut, dass die Station
bis auf größere Investitionen nicht auf Hilfe von außen angewiesen ist. Leider mussten wir nämlich feststellen, dass viele der gut gemeinten Spenden in Schränken verschwinden, die voll von abgelaufenen Produkten sind. Im Labor konnten wir neue Arbeitsunterlagen verteilen. Auch war für den Aufenthalt geplant, dass wir eine Gussschleuder aus Deutschland
einrichten sollten. Diese ist aber auf dem Weg auf dem Ozean oder im Hafen von Dar verschwunden und bis zu unserer
Abreise nicht eingetroffen. In Peramiho wurde, wie wir mit einem Schmunzeln hinnehmen mussten, das AnästhesieVerfahren, das wir aus Njombe kannten, auf die Spitze getrieben. Bis zu 10 Patienten wurden anästhesiert und wieder in den Wartebereich geschickt. Das führte leider aber meist dazu, dass nachgespritzt werden musste, wenn der Patient an der Reihe war. Insgesamt wird uns hier vor allem die professionelle und heitere Atmosphäre in Erinnerung bleiben, die in
der Praxis herrschte. Anderseits haben wir uns gegen Ende der Zeit schon darauf gefreut, wieder mehr als ein paar hilflose
Worte mit einem Patienten wechseln zu können und ein bisschen deutsche Ordnung am Arbeitsplatz vorzufinden. Nach den Arbeitstagen blieb genug Zeit sich im angenehmen Klima von Peramiho zu entspannen oder die Umgebung zu erkunden. Über das Wochenende haben wir einen Ausflug mit Sr Hifadhi nach Mbamba Bay am Lake Nyasa gemacht. Auf dem Rückweg besuchten wir eine ebenfalls von Jino unterstützte Station in Kigonsera, wo wir Sr Miriam kennen lernten.
Am 11.9. machten wir uns schließlich auf den Weg zurück nach Dar, nachdem wir fünf schöne Famulaturwochen erlebt hatten.
Natürlich haben wir vor und nach der Famulatur auch ein wenig Urlaub in diesem beeindruckenden Land gemacht. Während zunächst ein Teil der Reisegruppe am Kilimanjaro wanderte, erkundete die anderen beiden Sansibar, Bagamoyo und Arusha. Schließlich trafen wir uns nach einer Woche in Arusha zu einer gemeinsamen Safari in den Parks Lake Manyara, Tarangire und Ngorogoro Crater. Mit den Bildern und Erlebnissen dieser Touren fuhren wir über Lushoto in den Usambara-Bergen zurück nach Dar. Nach der Famulatur blieben wir ein paar Tage in Dar, bis wir am 15.9. schließlich Abschied von Tansania und den vielen lieben Menschen nehmen mussten. Mit einem kurzen Zwischenstop in Dubai
flogen wir reich an schönen Erfahrungen und Erlebnissen zurück in die Heimat.